Diskriminierung auf vielen Ebenen
Veröffentlicht am 05.12.2017 von Patrik Rudolf Brunner
Es gibt viele Arten, Menschen zu diskriminieren und es gibt Gesetze, die das verbieten. Trotzdem leben auch bei uns Gruppen, die keinen Schutz vor Diskriminierung haben. Ich spreche konkret von Homo-sexuellen. In diesem Blog widme ich mich den Anliegen von RADIGAL, einer Fachgruppe der FDP, die sich für die Interessen von Schwulen, Lesben und Bisexuellen einsetzt. Ich gehe dabei bewusst auf drei Beispiele ein, bei denen wir den gesellschaftsliberalen Ansatz komplett missachten.
Wer muss dafür bluten
Bis heute sind wir bei Unfällen, zur Behandlung von Krebs oder auch bei Herzkrankheiten auf Blutspenden angewiesen. Das SRK geht davon aus, dass vier von fünf Menschen einmal in ihrem Leben Blut oder ein Medikament aus Blutpräparaten benötigen. Nein, ich fordere Sie hiermit nicht auf, Blut zu spenden. Ich möchte vielmehr das Thema ansprechen, dass nicht jeder bei der Blutspende willkommen ist. Denn die Bedingungen, damit Schwule Blut spenden können, sind mehr als fragwürdig. Aus Angst vor HIV muss ein Schwuler zuerst nachweisen können, dass er 12 Monate lang keinen Sex mit einem anderen Mann gehabt hat. Dabei weiss man heute: Das HIV-Risiko für einen homosexuellen Mann ist nicht höher als das eines heterosexuellen, der seine Partnerinnen dauernd wechselt, ungeschützten Geschlechtsverkehr hat oder sich im Ausland vergnügt. Beim Blutspenden will jemand selbstlos anderen helfen, es geht ums Gemein-wohl. Wieso kann man dies der Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verbieten? Das empfinde ich als eine starke Diskriminierung einer spezifischen Gruppe. Jede Blutspende wird auf verschiedene Krank-heiten untersucht. Damit erübrigt sich auch die Angst vor HIV-infizierten Blutkonserven. Am vergangenen Mittwoch hat der Ständerat die Motion der Jungfreisinnigen, die Ausschlusskriterien für homosexuelle Männer bei der Blutspende aufzuheben, abgelehnt. Mit diesem Entscheid wird die Stigmatisierung noch mehr verstärkt, was ich überhaupt nicht unterstütze. Wir wissen viel mehr über Infektionskrankheiten als früher und stehen mit solchen Bestimmungen dem Fortschritt im Wege. Ich finde, auch Mitglieder der LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) müssten ihre zivilgesellschaftlichen Pflichten erfüllen dürfen und ohne Hindernisse Blut spenden können.
Vor dem Gesetz sind (nicht) alle gleich
Ein weiteres Beispiel dafür, wie wir noch lange nicht alle gleich behandeln, ist das Diskriminierungsverbot in Artikel 8, Abs. 2 der Bundesverfassung:
Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen geistigen oder psychischen Behinderung.
Was deutlich fehlt, ist der Begriff der sexuellen Orientierung. Bis jetzt darf man niemanden aufgrund seiner Hautfarbe oder Herkunft diskriminieren, aber aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder seiner Geschlechter-Zugehörigkeit (Transgender). Ich habe zwei Probleme damit: Einerseits bin ich als Liberaler grundsätzlich gegen aufgeblähte Gesetze und andererseits bedeutet eine Aufzählung dieser Art immer, dass Menschen ausgeschlossen werden. Das heisst, es liegt bereits eine Diskriminierung vor, weil diese Menschen nicht aufgelistet sind. Mein Vorschlag wäre, die Aufzählung zu entfernen und Absatz 2 mit folgendem Satz zu ersetzen:
Niemand darf diskriminiert werden.
Denn wenn vor dem Gesetz alle gleich sind (vgl. Art. 8, Abs. 1), dann darf auch niemand diskriminiert werden.
Wer sich traut
Das dritte Beispiel, das ich diskutieren möchte, ist die Ehe für alle und das Adoptionsrecht. Ich bin dafür, dass alle heiraten können, wen sie wollen und damit gehe ich einen Schritt weiter als viele andere Liberale. Ob es der Begriff Ehe sein muss, oder ein anderer, stelle ich hier in Frage. Meiner Meinung nach ist es ein gesellschaftlicher Begriff, aber die Diskussion überlasse ich den Religionswissenschaftlern. Trotzdem, die eingetragene Partnerschaft geht für mich nicht weit genug, weil sie sich von der Ehe in drei Punkten unterscheidet: Zum einen geht es um das Scheidungsrecht. Für eingetragene Paare gilt grundsätzlich die Gütertrennung, für Ehepaare die Errungenschaftsbeteiligung. Damit sind gleichgeschlechtliche Paare bei einer Scheidung benachteiligt.
Ausrede leicht gemacht
Der zweite Punkt ist die erleichterte Einbürgerung. Meine Frau ist Thailänderin und fünf Jahre nach unserer Heirat konnte sie sich einbürgern lassen, weil ich Schweizer bin. Hätte ich einen Partner, ginge das nicht. Aus meiner Sicht ist das unfair. Warum soll meine Frau gegenüber einem gleichgeschlechtlichen Paar, bei dem ein Partner aus einem anderen Land stammt, bevorzugt werden? Es gibt Gegenstimmen die sagen, dann würden wir Tür und Tor für Missbrauch öffnen. Weil zwei Männer einfach behaupten könnten, sie wären schwul, dann heiraten und erleichtert eingebürgert werden. Für alle, die es noch nicht wissen, es gibt bereits solche Scheinehen zwischen Männern und Frauen. Missbrauch kommt leider vor, nur dass das Geschlecht der Partner dabei keine Rolle spielt. Und darauf zu beharren, dass Homosexuelle dieses Gesetz vermehrt ausnutzen würden, ist bereits Diskriminierung.
Adoptionsrecht – kein Kinderspiel
Der dritte Punkt ist, dass es kein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare gibt. Für viele Gegner ist das Kindeswohl das Hauptargument. Es könnte gehänselt werden und das Familienbild sei gestört, wenn das Kind mit zwei Vätern oder zwei Müttern aufwächst. Es ist wahr, Kinder werden gehänselt, beispiels-weise weil sie abstehende Ohren haben, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind und aus vielen anderen Gründen. Aber das Thema Familienbild ist vorbei. Ich bin auch nicht mit einem traditionellen Familienbild aufgewachsen. Meine Mutter war geschieden, ich hatte mit meinem Vater viele Jahre keinen Kontakt und habe trotzdem den Weg zu einer klassischen Ehe gefunden. Was das Adoptionsrecht nun mit Diskriminierung zu tun hat? Eine nicht verheiratete Person kann auch ohne Partner ein Kind adoptieren. Vermutlich spricht sich die Adoptionsbehörde dagegen aus, weil die Person alleinstehend ist, aber rechtlich gesehen ist das kein Problem. Sobald sich die Person aber als schwul, lesbisch oder Transgender outet, ist es nicht mehr möglich, einen Adoptionsantrag zu stellen. Hätte sie sich nicht geoutet, könnte sie ein Kind adoptieren. Das alleine ist für mich schon unverständlich, aber jetzt kommt es noch besser: Wenn ein gleichgeschlechtliches Paar gemeinsam ein Kind adoptieren möchte, geht das nicht. Falls der eine Partner aus einer früheren Beziehung jedoch ein Kind hat und es in die neue Partnerschaft einbringt, dann kann der Partner dieses Kind adoptieren. Wo liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Adoptionen? Auch dieses Kind würde mit zwei Vätern oder Müttern aufwachsen. Dass einer der beiden Partner der leibliche Vater oder die leibliche Mutter ist, reicht für mich nicht als Rechtfertigung. Womöglich kommt jetzt nochmal das Argument, dass es dabei nur um das Kindeswohl gehe. Aber was ist besser für das Kind: in einem Kinderheim ohne Eltern und familiäre Bindung aufzuwachsen oder mit zwei liebevollen Vätern oder Müttern, die sich kümmern, es umsorgen, erziehen und ihm Werte vermitteln? - Wo ein Kind lieber wäre, kann wohl jeder von uns einfach beantworten. Deshalb glaube ich, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder genauso gut aufziehen können wie Mann und Frau. Soviel ich weiss, gibt es keinen Fall, der das Gegenteil beweist.
Das Blutspendeverbot, der ungenaue Artikel in der Bundesverfassung und die Einschränkungen im Ehegesetz sind für mich reale Beispiele für die Diskriminierung einer Gesellschaftsgruppe, die sich nichts zuschulden kommen lässt.
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