Patrik Rudolf Brunner
Patrik Rudolf Brunner
Gemeinderat Kreis 6

Wer hat das letzte Wort?

Veröffentlicht am 14.05.2018 von

Patrik Rudolf Brunner

Bei einigen löst das Thema mittlerweile Gähnen aus, bei anderen herrscht noch immer Unmut – so oder so ist das letzte Wort im Fall Koch-Areal noch nicht gesprochen. Zum einen entscheidet am 10. Juni 2018 das Zürcher Stimmvolk über die Initiative Wohnen und Leben auf dem Koch-Areal, die den Verkauf des Geländes an einen Privaten sowie ein Drittel gemeinnütziger Wohnungen fordert. Zum anderen kommt die Vorlage des Stadtrats Gemeinnütziger Wohnungsbau auf dem Koch-Areal an die Urne. Damit bliebe die Stadt im Besitz der Liegenschaft und es würden 350 preisgünstige Wohnungen, Gewerberäume, ein Kindergarten und ein öffentlicher Park gebaut. Bereits in 5 Jahren sollen die ersten Mieter einziehen können. Die Stimmberechtigten dürfen nun über einen Objektkredit in der Höhe von 35,1 Mio. Franken und die Genehmigung des Projektierungskredits von 6,9 Mio. Franken abstimmen. Wichtig ist dabei die Tatsache, dass die Vorlage des Stadtrats eine eigenständige Vorlage und kein Gegenvorschlag zur FDP-Volksinitiative ist. Da jedoch nur eine Vorlage zur Anwendung kommen kann, würde im Falle einer gleichzeitigen Annahme der Initiative und der Vorlage des Stadtrats die Initiative umgesetzt. Wenn aber die Initiative abgelehnt und die Vorlage angenommen würde, dann würde das Projekt des Stadtrats weiter-verfolgt. Das sind viele Wenn und Aber, und genau deshalb stört es mich als liberaler Politiker sehr, dass der Stadtrat vor dem Volksentscheid bereits Architekturwettbewerbe lanciert hat und damit an die Öffentlichkeit geht.

Plötzlicher Tatendrang
Natürlich hat die FDP mit der Initiative Druck auf den Stadtrat ausüben wollen und das ist uns, wie man sieht, auch sehr gut gelungen. Lange haben wir darüber diskutiert, warum man so viel Zeit verstreichen lässt, so viel Ärger in Kauf nimmt und scheinbar tatenlos zusieht. Merkwürdig ist aber, dass ausgerechnet knapp zwei Monate vor der Abstimmung Medienmitteilungen veröffentlicht werden, in denen die Pläne schon sehr weit fortgeschritten zu sein scheinen. Ich begrüsse, dass endlich etwas geschieht, das habe ich ja bereits im Blogbeitrag vom September 2016 gesagt, aber nicht, dass man nun den anstehenden Volksentscheid nicht zuerst abwartet. Der Stadtrat empfiehlt, die Initiative abzulehnen, weil durch einen privaten Bauherren kein günstiger Wohnraum entstehen werde. Das kann ich so nicht stehen lassen, denn unsere Initiative fordert den Bau von mindestens einem Drittel gemeinnütziger Wohnungen. Ausserdem hat niemand gesagt, dass die restlichen Wohnungen teuer und luxuriös sein werden. Bis jetzt höre ich aus diesem Gegenargument nur Vorurteile und Skepsis gegenüber privaten Akteuren heraus. „Zudem liegt bei unserem Projekt ein klarer Zeitplan vor, wird die Initiative angenommen, dürfte es bis zur Realisierung deutlich länger gehen“, sagt Daniel Leupi in der Medienmitteilung der Stadt Zürich vom 19. April 2018. Schon erstaunlich, um diesen Zeitplan hat sich davor niemand gekümmert. Ich bin verwundert über den plötzlichen Tatendrang. Für mich klingt das nach Propaganda und Klientelpolitik, um den eigenen Wählern zu zeigen, dass man etwas tut.

Demokratie oder Filzokratie
Was mich viel mehr stört, sind die verflochtenen Machtverhältnisse. Am 27. September 2017 berichtete die NZZ, dass ABZ und Kraftwerk1 die Bauträgerschaft übernehmen. Besonders spannend ist folgender Teil des Artikels: „Stadtrat Richard Wolff (al.), der das Dossier Koch-Areal wegen Befangenheit hatte abgeben müssen, hatte zu den Gründern der Wohngenossenschaft Kraftwerk1 gehört, war später für sie tätig und wird auf deren Homepage als «einer von uns» bezeichnet“. Und siehe da, die neugewählte Stadträtin Karin Rykart ist ebenfalls Kraftwerk1-Genossenschafterin. Lassen wir das für den Moment so stehen. Dann blicken wir doch einmal auf das Guggach-Areal an der Kreuzung Hofwiesen- / Wehntalerstrasse, das in meinem Wahlkreis liegt. Die Landreserve biete grosses Potenzial für die innere Verdichtung und Stadtentwicklung, heisst es auf der Website des Stadt Zürcher Hochbaudepartements. Man wolle das Areal gemeinsam mit der Stiftung für bezahlbare und ökologische Wohnungen – Einfach Wohnen (SEW) – entwickeln und das Ergebnis Ende Juni 2018 der Öffentlichkeit präsentieren. Interessant ist, dass es auch hier direkte Verbindungen zum Stadtrat gibt. Der Vorstehende des Finanzdepartements Daniel Leupi ist Präsident der Stiftung Einfach Wohnen, und diese musste in der Vergangenheit harsche Kritik einstecken, wie in einem Artikel der NZZ vom 21.12.2016 hervorgeht. So habe die 2013 bewilligte Öko-Wohnbaustiftung „vor drei Jahren 80 Millionen Franken Kapital erhalten, aber noch keine einzige Wohnung vermietet.“ Das Stiftungskapital schrumpfe „langsam aber stetig – für Honorare von Stiftungsräten, Marchbarkeitsstudien oder zwei Kommunikationsbüros […]“. Von den Stiftungsräten wird gefordert: „Eigentlich müssten sie ihre Sitzungsgelder zurückgeben.“ Aus meiner Sicht ein weiterer Beitrag aus vergangenen Tagen, der zum Nachdenken anregt.

Die Arroganz der Macht
Im Hier und Jetzt angekommen frage ich mich: Sieht es nur so aus, oder schiebt man sich im Stadtrat und rot-grünen Lager gegenseitig millionenschwere Projekte zu, einfach weil man es kann? Sehen wir darin bereits eine Tendenz, wie die Vorgehensweise im Stadtrat in den nächsten 4 Jahren sein wird?
Ja ich weiss, FDP-Politiker werden gerne als Anti-Genossenschafter bezeichnet, aber da zähle ich mich ganz und gar nicht dazu. Ich wohne selber in einer Genossenschaft, und zwar in einer privaten. Was ich nicht verstehe, ist, warum diese Aufträge zwar an halb Staat, halb Private, jedoch immer rot-grün angehauchte vergeben werden und anderen gar keine echte Chance geboten wird. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Volk am 10. Juni entscheiden wird. Ich gehe jedoch davon aus, dass mit dem Verhalten des Stadtrats keine faire Abstimmung möglich sein wird.