Patrik Rudolf Brunner
Patrik Rudolf Brunner
Gemeinderat Kreis 6

Das Einleben im Gemeinderat

Veröffentlicht am 22.05.2021 von

Patrik Rudolf Brunner

Im März 2021 durfte ich für Corina Ursprung in den Gemeinderat der Stadt Zürich nachrücken. Gut ein Jahr vor den Wahlen. So ist es in der FDP Kreis 6 üblich, wenn man zurücktritt, damit der neue Gemeinderat Zeit hat, sich einen Namen zu machen und sich einzuleben. Ich sage Ihnen gerne: Das Einleben ist ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Ich könnte mir keine Berufserfahrung vorstellen, die einen auf das vorbereiten kann, was kommt. Klar, meine Vorfreude auf das Nachrücken war gross und die erste Kommunikation mit dem Ratssekretariat ist eindrucksvoll: Man ist jetzt Mitglied in einem der grössten Parlamente der Schweiz und in einigen E-Mails und Briefen wird man mit «Sehr geehrter Herr Gemeinderat» angesprochen. Da schwillt auch mir das Herz in der Brust, das möchte ich nicht verheimlichen. Der Ratsalltag ist dann von einer anderen Natur. Viele Male konnte ich vom Kulturschock der ersten Ratsdebatten lesen. Dass der Umgangston anders sei und dass das Verhalten der anderen Parlamentarier nicht wie in den Übertragungen der BBC aus dem englischen Parlament wäre. Und ja, es stimmt. Auch ich erlebte diesen Kulturschock. Zwar hatte ich den Vorteil, dass ich fast alle Gspändli aus der FDP-Fraktion durch meine Arbeit als städtischer Wahlkampfleiter kannte und auch mit einigen der Themen vertraut war. Über diese wurde auch schon im Parteiausschuss oder im Austausch des engeren Führungskreises der FDP Stadt Zürich beraten. Das hat meinen Schock etwas abgefedert. Dennoch ist vieles auf den zweiten Blick anders, als es scheint. Den Debatten wird aufmerksamer zugehört, als man es vom Beobachten des Umherlaufens und der Zweiergespräche denkt. Und auch die Qualität der Voten ist hoch. Nicht immer, aber doch öfter als man meinen könnte. Auch der Schlagabtausch zwischen links und rechts ist sowohl witzig wie auch spannend.

So wird es geMACHT
Die Dominanz des linken Lagers, die sich auch in den 83 Sitzen (inkl. GLP) widerspiegelt, ist erdrückend. Auch wenn die Linken in gewissen Sachfragen nicht immer geschlossen zusammenstehen, spielen sie ihre Macht gekonnt aus. Dies zeigt sich unter anderem an folgenden zwei Punkten:

1. Überbieten von Forderungen
Einem tragischen Spiel gleich überbieten sich linke Parlamentarier mit Forderungen und entbehrt dabei jeglichen Realitätssinns. Sie denken jetzt: Klar sagt das ein FDPler. Aber das sagen zuweilen auch die linken Stadträte. So mussten diese einige Mal bei ihren Voten darauf hinweisen, dass Vorlage X die kantonalen Gesetze oder Vorlage Y die Bundesgesetze missachte und somit nicht umsetzbar oder Vorlage Z nicht Aufgabe der Stadt sei. Und das in den wenigen Ratssitzungen, die ich bisher miterlebt habe. Es gibt Situationen, in denen die FDP die linken Stadträte oder deren Positionen in den eigenen Voten verteidigen oder unterstützen muss. Man stelle sich das vor.

2. Blockieren des Ratsbetriebs
Das linke Lager reicht so viele parlamentarische Vorstösse ein und lässt diese für dringlich erklären, dass für anderes kaum Platz ist. So haben wir zum Beispiel an der Ratssitzung vom 14. April – die gut fünf Stunden dauerte – ca. 2,5 Stunden über den Status der Dringlichkeit von neuen Vorstössen der Linken und die anderen 2,5 Stunden über die kürzlich als dringlich eingestuften Vorstösse beraten. Ordentliche Geschäfte hatten gar keinen Platz. So sprechen wir nur über Punkte, die den Linken wichtig sind. Unsere Vorstösse werden selten als dringlich anerkannt und fallen somit immer weiter zurück auf der Liste. Auch so kann man den politischen Gegner ausschalten.